Richard Lindner


Harte Kanten und Entfremdung


In Richard Lindners Bildern dominieren stark abgegrenzte Bildinhalte und eine plakative Bildkomposition mit scharf umrissenen, klar konturierten Einzelelementen. Mit dieser Technik gilt der deutsche Künstler als Begründer bzw. Pionier der sog. Hard Edge-Malerei (hard edge = harte Kante) und Vorläufer der Pop Art. Denn Lindner verwendet schon vor Warhol und seinen Suppendosen Dinge des Alltags und bindet Elemente der Reklame in seine Werke mit ein. Hinzu kommt die eher emotionsfreie Darstellung seiner Figuren. Denn bei Lindner geht es um die Entfremdung und die Beziehungslosigkeit der Menschen zueinander, was sich auch in der Collagenhaftigkeit seiner Bilder widerspiegelt. Die Frau stellt dabei ein zentrales Thema dar - sie wird zum begehrten Konsumprodukt, Lustobjekt und dabei sogar bis auf "das Wesentliche" reduziert.

Lebenslauf & Werk


  • 1901 geboren am 11. November in Hamburg; Eltern: Julius Lindner, Mitglied der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde, Handlungsreisender; Mina Bornstein, Tochter deutsch-amerikanischer Juden
  • 1905 Umzug der Familie Lindner nach Nürnberg
  • 1909 diverse Umzüge innerhalb Nürnbergs
  • 1913 Mina Lindner eröffnet ein Geschäft für maßgefertigte Korsetts, vermutlich, weil das Einkommen des Vaters zu gering ist
  • 1922 Richard Lindner beginnt ein Studium an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg; er belegt Kurse in Zeichnen nach dem lebenden Modell und in Ölmalerei; bis dahin Arbeit als Verkäufer; diverse Auftritte als Pianist, die ihn zu dem Entschluß gebracht haben, sich den Bildenden Künsten zu widmen, da der bohemenhafte Lebensstil der Künstler ihn angezogen hat
  • 1925 lebt in Frankfurt; kehrt nach Nürnberg zurück, um sein Studium fortzusetzen
  • 1926 Meisterschüler von Professor Max Körner an der Kunstgewerbeschule Nürn­berg; Beteiligung an mehreren Wettbewerben für Spielzeuggestaltung und Tabakwer­bung; zusammen mit Mitschülern Gestaltung von Grafiken
  • 1927 Umzug nach Berlin; Entwurf und Umschlagillustration zu „Drei Bücher des Lachens“, Ullstein-Ver­lag, Berlin
  • 1929 erneute Anmeldung in Nürnberg; eine Woche nach seiner Rückkehr zieht er nach München
  • 1930 Heirat mit Elsbeth Schülein, einer Mitschülerin aus Nürnberg;  Illustrationen für Zeitungen und Zeitschriften für den Verlag Knorr und Hirth; Zusammenarbeit mit Hermann Landshoff; Artikel über diese Illustrationen in der Grafikzeitschrift „Das Zelt“, erste Publika­tion über Lindner; Entwurf von 13 Zeichnungen und einer Umschlagillustration für das Buch „Grock, Grock, Ich lebe gern!“, die Autobiografie des Clowns Grock, Ull­stein-Verlag, Berlin
  •  1933 Emigration nach Paris
  • 1936 vier Aquarelle, die auf Werbeplakaten für den Londoner Klavierfabrikanten Barnes produziert werden, zu sehen auch in seiner ersten Ausstellung
  • 1939 nach der Kriegserklärung mit seiner Frau und anderen Flüchtlingen von der französischen Polizei interniert; Elsbeth Lindner wird zuerst freigelassen und emigriert in die Vereinigten Staa­ten
  • 1941 Lindner hat das Konzentrationslager überlebt und emigriert in die USA; Arbeit als Zeitschriften- und Buchillustrator
  • 1942 Werbeauftrag der Container Corporation of America; Lindners „Eternal Summer on the Table“ wird in die 21. Jahresausstellung werbe­grafischer Arbeiten aufgenommen, die vom Art Director’s Club of New York im Metropolitan Museum of Art ausgerichtet wird; Trennung von Elsbeth
  • 1943 Tod des Vaters; Lindner reicht Einbürgerungsantrag in die USA ein
  • 1944 Scheidung von Elsbeth; Illustration einer Ausgabe von Gustave Flauberts „Madame Butterfly“
  • 1946 Umschlagillustration für die amerikanische Ausgabe von Hermann Kestens „Die Zwillinge von Nürnberg“
  • 1948 „The Continental Tales of Henry Wadsworth Longfellow“ erscheint mit 12 Illustrationen und einer Umschlagzeichnung von Richard Lindner; Einbürgerung in die USA
  • 1950 Reise nach Paris, um dort den Sommer zu verbringen und zu malen; nach seiner Rückkehr nach New York malt er „Marcel Proust“
  • 1952 er erhält den Award for Distinctive Merit vom Art Director’s Club of New York für ein Portrait von Immanuel Kant (Werbeauftrag der Container Corpo­ration of America); ein Parfumhersteller verpflichtet ihn für ein Jahr als Werbegrafiker; er malt „The Child’s Dream“; Lehrauftrag als „instructor in graphic impression“ am Pratt Institute in Brook­lyn
  • 1953 Reise nach Europa; im August Beginn der Studien für sein erstes größeres Gemälde „The Meeting“
  • 1954 erste Einzelausstellung in Betty Parsons’ Galerie, allerdings ohne daß ein Bild verkauft wird; er zeichnet Programmhinweise für das CBS-Fernsehprogramm „Studio One“ (so auch Andy Warhol)
  • 1956 Arbeit als Lehrbeauftragter für Design am Pratt Institute; er verbringt den Sommer in Paris
  • 1957 Gastkünstler an der Yale University School of Art and Architecture, New Ha­ven, Connecticut; Verleihung des William and Noma Copley Foundation Award
  • 1959 Lindner trifft Warhol
  • 1960 Ernennung zum Assistenzprofessor für Kunst am Pratt Institute
  • 1961 Lindners erste Einzelausstellung in der Cordier and Warren Gallery in New York; die William and Noma Copley Foundation veröffentlicht die erste Monogra­fie über Lindner
  • 1962 das Gemälde „Musical Visit“ wird als erste seiner Arbeiten im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt; das Museum of Modern Art erwirbt „The Meeting“; Einzelausstellung in der Robert Fraser Gallery in London
  • 1963 Teilnahme an der Ausstellung „Americans 1963“ im Museum of Modern Art; Lindner verbringt den Sommer in Italien
  • 1965 Einzelausstellung in der Galerie Claude Bernard in Paris und Teilnahme an der Ausstellung „Erotic Art 66“ in der Sidney Janis Gallery in New York
  • 1966 Beendigung der Lehrtätigkeit am Pratt Institute; kurz vor dessen Tos besucht er René Magritte in Brüssel
  • 1967 im Vorfeld der ersten Lindner-Retrospektive erstellt Rolf-Gunter Dienst in Zu­sammenarbeit mit Arne Ekstrom ein vollständiges Werkverzeichnis; erste Edition einer Grafik-Mappe „Marilyn Was Here“ bei Manus Presse, Stutt­gart; Beteiligung an der Ausstellung „Hommage to Marilyn Monroe“ in der Sidney Janis Gallery
  • 1968 Teilnahme an der Documenta IV in Kassel; erste Museumsretrospektive; Reisen nach Leverkusen, Hannover, Baden-Baden und Berlin
  • 1969 erste amerikanische Museumsretrospektive in Berkeley, Kalifornien, und in Minneapolis; Heirat mit der Malerin Denise Kopelmann; diverse Reisen nach Paris, Kalifornien, Florida, Italien und London
  • 1970 Veröffentlichung von Monografien über Lindner; Verleihung des Lichtwark-Preises der Stadt Hamburg
  • 1971 „Fun City“, eine Mappe mit 14 Litografien, wird von Samuel Shore für Shore­wood Publishers, New York, veröffentlicht, die Mappe beruht auf einer Folge von früheren Aquarellen; Richard und Denise Lindner reisen des öfteren nach Paris und erwerben dort eine Wohnung
  • 1972 Mitgliedschaft in der Academy of Arts and Letters in New York; die Fisher Fine Art Ltd. in London und die Galerie Knoedler and Co. in New York werden Lindners Kunsthändler und bleiben es bis 1975; Lindner verbringt fortan die Sommermonate in seinem Atelier in Paris
  • 1974 Retrospektive „Richard Lindner“ zunächst im Musée National d’Art Moderne in Paris, dann in Rotterdam, Düsseldorf, Zürich, Nürnberg und Wien
  • 1975 Galerie Maeght in Paris übernimmt Lindners Vertretung
  • 1976 erster Besuch in Nürnberg seit seiner Emigration
  • 1977 letzte Museumsretrospektive im Museum of Contemporary Art in Chicago zu Lindners Lebzeiten; in dem Film „Richard Lindner `77“ erörtert er sein Leben und seine Kunst
  • 1978 Ausstellung seiner letzten Arbeiten in der Sidney Janis Gallery; er verstirbt im Alter von 77 Jahren

Bestand (Auswahl)