Antoni Tàpies i Puig


Borja-Villel, M. (2023, 26. September)Artforum. https://www.artforum.com/columns/antoni-tapies-2-200222/
Borja-Villel, M. (2023, 26. September)Artforum. https://www.artforum.com/columns/antoni-tapies-2-200222/

vita


Frühe Jahre & Bildung

1923–1945
Geboren am 13. Dezember 1923 in Barcelona, Katalonien. Kindheit in einem liberal-intellektuellen Elternhaus. Früher Zugang zu moderner Kunst durch Publikationen wie D’aci i d’alla. Schulzeit an deutsch- und katalanischsprachigen Schulen. 1940 schwerer gesundheitlicher Einschnitt, der eine existenzielle Wende markiert – erste intensive Hinwendung zur Kunst, beeinflusst durch Vincent van Gogh und Pablo Picasso. Frühe Lektüre von Nietzsche, Sartre und Schopenhauer – Philosophie als geistiges Fundament.

 

Selbststudium & künstlerische Anfänge

1946–1955
Abbruch des Jurastudiums an der Universität Barcelona zugunsten der Kunst. Besuch der Acadèmia Valls, erste autodidaktische Arbeiten. Einfluss von Joan Miró, Max Ernst, Paul Klee. Mitgründung der Gruppe Dau al Set – eine surrealistisch-experimentelle Künstlergruppe mit dichterischem Anspruch. 1950 Paris-Stipendium: Begegnung mit Dubuffet, Art brut und informeller Kunst. Integration von Sand, Staub, Alltagsobjekten in die Malerei. Beginn der charakteristischen Materialbilder.

 

Internationale Präsenz & künstlerische Reifung

1956–1975
Teilnahme an Biennalen, internationale Ausstellungen u. a. in New York, Paris, Mailand, Düsseldorf. Enge Zusammenarbeit mit der Galerie Maeght und der Galerie im Erker (St. Gallen). Austausch mit Lucio Fontana, Marcel Duchamp, Emilio Vedova. Beteiligung an politischen Aktionen gegen das Franco-Regime. Werke als Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung: Spiritualität, Körperlichkeit, Protest. 1972 Rubenspreis der Stadt Siegen. Spätestens jetzt: internationaler Rang.

 

Engagement, Publikationen & Fundació

1976–1990
Künstlerische Reflexion in Wort und Schrift: Essays zur Rolle der Kunst, Kritik an Marktmechanismen. Zusammenarbeit mit Autoren wie Octavio Paz, Yves Bonnefoy, Alexander Mitscherlich. Erste Keramikarbeiten in Saint-Paul-de-Vence. 1984 Gründung der Fundació Antoni Tàpies zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Bewahrung des eigenen Werks. 1990 Eröffnung der Stiftung im ehemaligen Verlagshaus Montaner i Simón – gekrönt mit der Skulptur Núvol i cadira.

 

Späte Jahre & Ehrungen

1991–2012
Weltweite Ausstellungen, Retrospektiven, u. a. im MoMA, im Reina Sofía und im Museum für Gegenwartskunst Siegen. Ehrung 2010 mit dem Adelstitel Marqués de Tàpies. Rückzug aus dem öffentlichen Leben, Konzentration auf die Essenz. Tod am 6. Februar 2012 in seiner Heimatstadt Barcelona. Sein Werk bleibt ein Monument des geistigen Widerstands und der materialbasierten Sinnsuche.

 

   

Werk


Antoni Tàpies’ künstlerisches Œuvre ist Ausdruck einer tief existenziellen Bildersprache, verwurzelt in Philosophie, Politik und Mystik. Als Hauptvertreter der spanischen informellen Kunst schuf er über sechs Jahrzehnte hinweg ein Werk, das die Malerei radikal erweiterte – durch Material, Textur und geistige Dichte.

Seine Arbeiten oszillieren zwischen Erdverbundenheit und Transzendenz. Sand, Staub, Leinen, Lack – Materialien als Träger einer aufgeladenen Semantik. Zeichen, Kreuze, Spuren, Körperabdrücke: eine Schrift des Unbewussten. Die Bilder sind keine Fenster zur Welt, sondern Orte der Verdichtung – „Wände“, die nicht abschirmen, sondern durchdringen.

Tàpies verstand Kunst als Widerstand – gegen politische Unterdrückung ebenso wie gegen ästhetische Konventionen. Dabei blieb er stets auf der Suche nach einer „anderen Realität“, wie er selbst sagte: einer Wirklichkeit jenseits des Sichtbaren. Seine Verbindung von Zen-Buddhismus, katalanischer Kultur und europäischer Moderne macht ihn zu einem Solitär zwischen Ost und West, Körper und Geist, Dreck und Licht.

 

Mit über 8000 signierten Werken, zahllosen Ausstellungen und einer Stiftung, die sein Erbe bewahrt, gehört Antoni Tàpies zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts – nicht nur in Spanien, sondern weltweit.